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  • AutorenbildAisen

Versuch es mit etwas mehr Langsamkeit

Aktualisiert: 23. Aug. 2020


Frühstück auf der 6.th Ave - Dezember 1993


Wir schreiben das Jahr 2020. Ein Jahr geprägt durch den allgegenwärtigen Virus welcher uns wieder mehr Zeit zu Hause beschert und die Digitalisierung vorantreibt.

Einzig die digitalen Systemkameras (DSLR) scheinen diesem Trend nicht zu folgen. Seit ein paar Jahren scheint eine Sättigung wenn nicht gar Übersättigung des Marktes bei ihnen eingetreten zu sein und die Verkaufszahlen implodieren geradezu. Die Jahre 2004 bis 2012 waren gesegnet mit schlechten Displays und rauschigen Sensoren und jedes Kameramodell brachte eine sichtbare und erwünschte Verbesserung, so ist nun seit etwa 5 Jahren jede Kamera nicht viel besser wie der Vorgänger und schon gar nicht wie die Konkurrenz, nur das mindestens 100 Leute darüber im Netz referieren.


Inzwischen ist scheinbar auch nicht mehr ein gutes Bild das wichtigste sondern das man jede Sekunde seines Lebens mit seinen „Freunden“ teilt und möglichst viele Likes dafür bekommt. Früher reichte es, wenn die Tageszeitung die neusten Meldungen vom Vortag druckten, heute erwartet man die Sensationen im Minutentakt vom Leserreporter und Liveticker auf dem Smartphone. Das Bild ist inzwischen Massenware und im Sekundentakt vergessen. Zwischen den analogen Zeiten und der heutigen schnellebigen Sichtweise scheint etwas verloren gegangen zu sein.


Le Mont-Saint-Michel - Juli 1994

Seit wieder ein Dia- und Negativscanner von Reflecta Anfang 2020 im Hause ist kommt immer wieder mal der Wunsch auf, einen Negativfilm in die analoge Kamera zu packen und damit zu fotografieren.


Doch gibt es überhaupt noch Film für die analogen Kameras? Funktionieren die 40-jährigen Teile noch?


Geparkt - Neuseeland Oktober 1993

Warum sich mit dem analogen Zeugs abmühen? Es ist wohl der Reiz des einfachen, die Langsamkeit der Bildentstehung und die Erinnerung an erlebte tolle Momente in der Vergangenheit. Blende und Zeit wählen, Entfernung einstellen, abdrücken und Film transportieren. Mit nur 24 oder 36 Möglichkeiten ein Ereignis festzuhalten hat man mehr Zeit den Moment zu geniessen. Man kann nicht gleich auf dem Display schauen ob das Bild was geworden ist sondern muss warten bis der Film voll ist und dieser nach dem Einschicken zum Entwickeln zurück ist. Eigentlich geht der Moment des Auslösens über in eine einwöchige Vorfreude bis der Film entwickelt ist und man das Bild in der Hand hält. Auch braucht es einiges an Fertigkeiten um ein brauchbares Bild aus einer analogen Kamera heraus zu bekommen.


Wobei es keine Rolle spielt, ob ein gutes Bild mit einer analogen oder digitalen Kamera gemacht wurde und erst recht nicht mit welcher Marke. Dies gilt auch für ein langweiliges Bild, langweilig bleibt langweilig.


Chichen Itza El Castillo - Februar 1992

Und ja, eigentlich kann man auch mit einer Digitalkamera langsam und manuell arbeiten und wer professionell arbeitet will keine Woche warten bis er seinem Kunden die Bilder zeigen kann. Die Sensoren der heutigen Digitalkameras sind auch um einiges besser was Dynamik und Auflösung angeht wie der alte Negativfilm.

Als meine Tochter im Laufe der Sommerferien 2020 mit einer Wegwerf-Plastik-Negativkamera aus China ankam, weil die Dinger gerade Hip sind unter den Jungen, war es dann soweit und eine Spiegelreflex für sie musste her. Die Nikon FE10 und FM10 sind auf dem Gebrauchtmarkt auch noch recht günstig zu bekommen, die Kamera mit Objektiv in neuwertigem Zustand kosteten in neuwertigem Zustand 150 Franken. Gespannt war ich auch, ob meine Nikon FE, Fe2 und FM2n den Geist noch nicht aufgegeben haben und funktionieren.


Pie de la cuesta Mexico - Februar 1992

Die Hoffnung ist da, dass die alten Kameras noch lichtdicht schliessen, der Verschluss sauber läuft und die Belichtungsmessung einigermassen funktioniert und meine Tochter sich mit dem Teil auseinander setzt. Bei der Nikon FE und FE2 ist der Verschluss elektronisch, die FM2 und FM10 sind rein mechanisch gesteuert. Alle Kameras haben nun den "ersten" Film hinter sich und arbeiten wie sie sollen.

Erstaunt war ich auch darüber, das es doch wieder eine beträchtliche Auswahl an Filmen gibt und zumindest die Markennamen meiner „Lieblinge“ wie Portra und Ektar von Kodak überlebt haben. Entschieden habe ich mich für den Kodak Gold 200 des Preises wegen und seiner Allround-Fähigkeiten.


Bei meiner Suche nach der FM10 musste ich feststellen, das die Preise der analogen Kameras wie FE, FM und speziell der Fm3a wieder anziehen. Meine drei alten Analogen haben inzwischen den doppelten Wert wie noch vor einem Jahr. Die Totgesagten sind inzwischen zur Nische geworden und werden wieder vermehrt gesucht.


Meine Analogen

Nikon Fe und Fe2

Als Ende der 70er Jahre die Nachfrage nach einer Kamera mit Zeitautomatik entstand, brachte Nikon 1978 die FE auf den Markt. Die Belichtungszeiten reichten von 1/1000 bis 8 Sekunden und waren damals ausreichend. Die Blitzsynchronisationszeit ist 1/125s.

Bei einer leeren Batterie war noch eine Verschlusszeit von 1/90 s möglich, wobei der Verschluss dann mechanisch arbeitete. 

Sie war oder ist wie die FM handlich und mit rund 600g inklusive Batterien und Film auch relativ leicht und doch robust.


Die FE erhielt mit der FE2 1983 eine Nachfolgerin, welche bis 1989 produziert wurde. Ihre schnellste Verschlusszeit ist 1/4000 Sekunde und die Blitzsynchronisationszeit sowie die rein mechanische Zeit ist 1/250s. Ihr Einführungspreis damals war rund $450.-.


Entgegen der spartanischen Belichtungsanzeige mit zwei roten und einer grünen LED in der FM-Kameras bietet die FE eine luxeriöse Anzeige der gewählten und der gemessenen Belichtung mittels Zeiger auf der Skala der möglichen Zeiten. Auch ist eine Zeitautomatik eingebaut, will heissen zur eingestellten Blende wählt die Kamera die richtige Zeit, dies ist gerade bei Portraits eine erwünschte Vereinfachung. Wobei der Zeiger den Nachteil hat, dass er auf dunklem Hintergrund nicht sichtbar ist und hier die Leuchtdioden der FM ihren Vorteil haben.

Sucher FE

Die FE ist die einzige meiner Kameras welche die alten Pre-Ai Objektive aufnehmen kann, wenn auch das Handling für die Belichtungsmessung etwas umständlich ist und ich Ai-Objektive vorziehe.


Nikon FM2N

1977 kam die FM als rein mechanische Kamera heraus. Sie ist wesentlich einfacher wie die FE, welche praktisch zur selben Zeit erschien. Die Belichtungszeit geht von 1s bis 1/1000s und die Blitzsynchronisationszeit liegt bei 1/125s.


Fünf Jahre später erschien die FM2, welche einen überarbeiteten Verschluss mit Zeiten zwischen 1s bis 1/4000s hatte. Die Blitzsynchronisation war bei 1/200s , ab 1983 bei 1/250s. Von da an wurde sie FM2n genannt, ohne das dies auf der Frontseite eingraviert war.


Bis 2006 wurde die FM produziert und immer mal wieder leicht modifiziert, wobei dieses Modell (FM3a) einen hybriden Verschluss hatte (mechanisch/elektrisch) und so ziemlich nahe an die FE herankam.


Nikon FM10

1995 kam nicht der erwartete Nachfolger der FM2n heraus, sondern Nikon lies eine billig Version bei Cosina mit der Bezeichnung FM10 produzieren. Sie sollte Leute mit kleinem Budget wie Schüler und Studenten zur Marke Nikon bringen. Von den Nikon-Fans wurde das „Plastikteil“ gehasst.

Die FM10 wurde damals im Set mit dem 35-70/3.5-4.8 AiS angeboten. Dieses Objektiv wollte ich mir nicht antun und habe das 1983 vorgestellte und auf minimales Gewicht und Grösse getrimmte 35-70/3.3-4.5 dazu gekauft. Gemäss Berichten aus dem Netz soll seine optische Leistung ganz ordentlich sein, einzig Ken Rockwell hat es unter den 10 schlechtesten Nikkoren gelistet.(7 Blendenlamellen, 69mm lang, Naheinstellgrenze 35cm, Filter 52mm, Gewicht 255g).

Keine Ahnung ob ich von den heutigen Plastikteilen abgestumpft bin, aber die FM10 fühlt sich modern an und man kann gleich loslegen ohne irgendwelche Handbücher wälzen zu müssen.

Eingesetzte Objektive

Neben den Nikon Ai- und AiS-Zooms Nikkor 35-70 Ai-S f/3.3-4.5 Macro, >28-50 f/3.5< und >25-50 f/4< kommen kommen noch das Nikkor 28/2 Ai, das 50/2 Ai und >85/2 Ai< sowie zwei zu Ai-konvertierte Berg&Tal (>Nikkor N.C. 28/2< und >Nikkor S.C. 50/1.4<) zum Einsatz. Leider habe ich kein konvertiertes Berg&Tal 85mm 1.8 H.C. und auch im Netz ist keines zu einem „vernünftigen“ Preis zu finden. Konvertiert zu AI deswegen, weil die Nikon FE die einzige meiner analogen Kameras ist, welche die Pre-Ai-Objektive aufnehmen kann.


Auf und davon

In alle vier Kameras werden zuerst je zwei LR44 Knopfzellen eingesetzt und der Kodak Gold 200 eingefädelt. Der erste Film soll zeigen, ob die Kameras noch funktionieren und ob sie lichtdicht sind.

An die FE wird das nicht Ai-modifizierte Nikkor-S.C. 50mm f/1.4. angesetzt, wobei das Handling damit schon etwas mühsam ist und zur Messung muss jedesmal die Schärfentiefe-Vorschau-Taste (was für ein Wort) betätigt werden. Nach 10 Bildern wechsle ich das Berg&Tal gegen das Nikkor 25-50 AiS und das Ai-modifizierte Nikkor-S.C. aus und nun funktioniert auch die Zeitautomatik wunderbar. Die FE2 muss noch etwas warten bis zu ihrem ersten Einsatz.

Was etwas fummlig ist, das ist die Mehrfachbelichtung mittels dem kleinen Hebelchen beim Aufzug. Dieser muss nach vorne gezogen werden beim spannen des Filmhebels.


Auch die Bilder meiner Tochter kamen für ihren ersten Versuch besser wie erwartet heraus und sie hat sich bereits das eine oder andere Foto an ihre Wand gepinnt. Ich hoffe, die Begeisterung für das Oldschoolfotografieren hält noch etwas an.



Tochter mit Pentax Spotmatik


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