Der nachfolgende Text soll kein Testbericht oder review sein, sondern die Erfahrungen des Objektives an der Sony A7r sowie an der Canon EOS 5D Mark III zeigen.
Dabei sind nicht die technischen Daten und die Perfektion des Objektives im Vordergrund, sondern die "Fehler", welches ein Objektiv gegenüber heutigen bereits in der Kamera korrigierten Objektiven individualisiert und ihm Charakter gibt.
Warum habe ich dieses Objektiv gekauft, es ist manuell und gross und alt und doch nicht alt im Vergleich zu den Berg&Tal-Objektiven? Naja, ich wollte mal sehen, ob an dem Ruf des Objektives etwas dran ist, dass es zu den schärfsten Nikkoren gehört und trotzdem ein schönes Bokeh hat. Mit einer Offenblende von 2.8 gegenüber den 4.0 des >Nikkor-Q 200mm< ist es auch besser für Portrait- und Sport-Aufnahmen geeignet. Ich hatte ausserdem das Glück, dass ich mein praktisch neuwertiges Exemplar kaufte bevor die Gebrauchtpreise für dieses Objektiv wieder anstiegen. Heute geht die Ai-S-Version in neuwertigem Zustand in der Regel für mindestens 400 Franken über den digitalen Marktplatz, mit etwas Glück ersteigert man sich auch mal eines unter 300.
Die ungewöhnliche Brennweite von 180mm gab es bereits bei den Messsucherkameras als Nikkor-H 18cm mit f/2.5. Zu den Olympischen Spielen 1970 in Sapporo brachte Nikon das non-Ai Nikkor-P Auto 180mm f/2.8 heraus. Bei seinem Erscheinen war es seiner optischen Eigenschaften wegen eine kleine Sensation.
1975 erhielt es die NIC-Mehrschichtvergütung und wurde erst 1981 optisch überarbeitet..Es erhielt dabei als erstes Objektiv das ED-Glas zur Reduktion der sphärischen Aberration und des Koma. Nikon kennzeichnet diese Gläser mit einem goldenen Ring um den Tubus. Das Nikkor Ai 180mm f/2.8 ED wird wegen der guten Korrekturen sowie des doch günstigen Gebrauchtpreises häufig zur Astrofotografie verwendet. Diese Variante war so gut, dass sie während 25 Jahren, 20 davon parallel zum Autofokus-Objektiv, gebaut wurde.
Bedienung und Haptik
Das Objektiv vermittelt einen wertigen Eindruck, ist doch alles aus Metall und Glas und die Schriften sind eingraviert. Mit 900 Gramm ist es wesentlich schwerer wie beispielsweise das Nikkor-Q Auto 200/4 von 1961 mit seinen 640 Gramm, liegt aber trotzdem auch bei längeren Einsatzen angenehm in der Hand. Die Mechanik des Fokuses läuft samtweich und die Blende rastet sauber und hörbar in ganzen Schritten ein.
Angesetzt an die Sony A7r oder auch Canon EOS 5D Mark II/III ist das Objektiv intuitiv zu bedienen und man muss das Auge nicht vom Sucher nehmen, um den Fokus oder die Blende zu verstellen. Mit etwas mehr wie einer halben Umdrehung stellt man von nah auf fern, wobei nah hier 1.8 Meter ist. Zusammen mit dem Fokus Peeking der Sony ist es ein leichtes, auf bewegte Objekte scharf zu stellen (bis hin zu Basketball). An einer 5D Mark III funktioniert dies für sich nicht bewegende Objekte oder mit Modellen gestellte Aufnahmen.
Toll ist die eingebaute Sonnenblende, kein Suchen oder sich ärgern mit hakelnden Bajonetten der Plastikbecher.
Mit 800 Gramm ist das Objektiv zwar kein Leichtgewicht, aber es liegt gut und ausgewogen in der Hand, wobei an der Sony A7r dürfte es nicht schwerer sein um das Ganze nicht kopflastig werden zu lassen.
Offenblende, Schärfe und Bokeh
Die Bilder mit dem Objektiv sind kontrastreich und die Farben natürlich bis lebhaft. Das Bokeh hinter dem Objekt ist sehr weich und praktisch frei von Farbsäumen, wobei ab Blende 4 diese verschwunden sein sollten. Die Farben im Hintergrund verschmelzen richtigehend ineinander und Spitzlichter haben keine scharfen Kanten. Das Bokeh vor der Schärfeebene kann etwas unruhig werden und wirken. Ab Blende 5.6 werden die Spitzlichter im Hintergrund allerdings 9-eckig durch die geraden Lamellen der Blende, was nicht mehr sehr harmonisch wirkt.
Bis jetzt ist es eines der schärfsten Tele-Objektive bei Offenblende, welches ich an der Sony A7r verwendete, ein abblenden ist in der Praxis nicht notwendig. Die Schärfe ist gleichmässig von Ecke zu Ecke, wobei ein Abblenden von 2.8 auf 4 einen leichten Schärfegewinn bringt (in der Praxis nicht relevant). Das Nikon ED-IF 300mm muss auf f/5.6 oder eher 6.3 abgeblendet werden, um ein aktzeptabel scharfes und kontrastreiches Bild an einer digitalen Kamera zu liefern, um bei Blende 8 sein Optimum zu haben.
An der Olympus mFT-Kamera mit 16 MP setzt aber bereits ab Blende 6.3 die Beugungsunschärfe dem Bild zu und das Nikkor ED-IF 300mm ist dort nicht zu gebrauchen, so schön ein 600mm mit f/4.5 und Bildstabilisator wäre. Aus diesem Grund sind Ausschnittsvergrösserungen vom Nikkor ED 180mm f/2.8 an der OMD EM-1 besser wie diejenigen des längeren Bruders.
Bei obiger Aufnahme bei dem 180mm-Objektiv mit Telekonverter entspricht Blende 4 der Blende 5.6 bei dem 300er.
Bei Offenblende kann an sehr hell/dunkel-Übergängen leichtes Purple-Fringing festgestellt werden. Sollten diese stören, können diese mit RAW-Konvertern wie Capture One oder Lightroom automatisch entfernt werden.
Blendensterne
Bei Teleobjektiven in der Regel keine Eigenschaft, welche ich suche und bis jetzt auch in meinen Aufnahmen nicht gefunden habe.
Flares & Ghosts
Soweit habe ich bisher keine störenden Flares wie auch Ghosts in meinen Aufnahmen gefunden. Einzg bei Aufnahmen mit der Sonne im Zentrum schwindet der Kontrast, selbst dann sind allerdings keine Flares zu erkennen.
Fazit
Kurz und bündig: Das Objektiv macht Spass und die Resultate sind eine Freude !
Eigentlich bevorzuge ich die Berg&Tal-Varianten vor den modernen Objektiven, aber das AiS 180 ED ist praktisch CA-frei, es hat ein sehr schönes Bokeh und durch seine 9 Blendenlamellen auch schöne Unschärfekreise. Einzig Unschärfe im nahen Vordergrund kann unruhig und unschön wirken.
Seine hervorragende Schärfe lässt auch die Verwendung des 1.4-fach Konverters zu, wenn dies auch sicherlich nicht sein Haupteinsatzzweck sondern nur eine Notlösung sein wird.
Das Objektiv ist schon mal unter CHF 300.- in einem sehr guten Zustand zu finden, ein Schnäppchen, wenn man die Leistungen der Linse in Betracht zieht.
Technische Daten der verwendeten Objektive
Nikkor 180mm f/2.8 ED Ai-S
Baujahr ca. 1994
Konstruktion: 5 Elemente in 5 Gruppen
(vor AIS-Version 5 in 4) Blendenlamellen: 9
(vor AIS-Version 7) Bildwinkel Vollformat 13.4° / APSC 10.3°
Blendenbereich: f/2.8 bis f/32
Distanzskala: 1.8m (ft.) bis unendlich
Gewicht: 800g
Maximale Vergrösserung: 1:7.5
Abmessungen: D 78.5mm, L über alles 130mm
Sonnenblende eingebaut
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