Text: Daniel Fischer für imScheinwerfer
Seien wir ehrlich, dem Musical, die Schwarzen Brüder, war bis anhin kein leichter Weg beschieden. Dies lag aber nicht in erster Linie am Stück als solches, nein, es waren die Begleitumstände, die seinen Weg so steinig machten, wie jenen der Tessiner Kaminfegerbuben, die unfreiwillig den Weg ins italienische Ausland fanden.
Vor Jahren in Schaffhausen uraufgeführt, war es damals ein künstlerischer Erfolg, dieser Erfolg vernebelte aber irgendwie den Blick auf die Zahlen und das Ganze wurde ein finanzielles Fiasko. Nun wurden die Schwarzen Brüder in Waldstadt wieder aufgenommen, das Musical spielt bis 22. August 2010.
Und wieder sind es äussere Begebenheiten, die das Musical nicht unbedingt fördern. Petrus ist offensichtlich kein Fan von dieser Produktion. Walenstadt entwickelte sich mehr zum «Walenseeregen». Permanent schüttete es, die Erstvorstellungen erlebten kletis und pletis in den hübschen Kaputzen des Hauptsponsor Migros. Diese Bekleidung steht im krassen Gegensatz zu dem wirklich ausgezeichneten Design der Kostüme auf der Bühne. Aber auch die Darsteller spielten bisher praktisch alle Vorstellungen mit Neopren unter den Kostümen.
Es ist aber auch ein wichtiger zweiter Faktor, der dem Musical einen holprigen Weg bescheiden lässt. So fehlt ein Schuttlebus zwischen Bahnhof und Spielgelände und derjenige, welcher auf den Zug in Richtung Zürich muss, sieht lange vor dem Schlussapplaus schon unruhig auf die Uhr. Aber Zeit für eine halbstündige Pause um sich zu verpflegen gab es. Und auch so manche Medienmitteilung lässt uns Presseleute im Regen stehen, so zum Beispiel die Zuletzt versandte. Dort feierte man den grossen Erfolg, um im Schlusssatz festzustellen, man würde die Schwarzen Brüder sicherlich nicht mehr wieder aufnehmen. So what?
Das Musical die Schwarzen Brüder hat eine starke Story. Schon alleine diese ist es wert, in das gelegentlich verregnete Walenstadt zu gehen. Die Geschichte der Tessiner Jungen, die ihr Leid in Mailand als quasi Verdingbuben erleben, gibt zu denken. Sie zeigt auf, welche Wichtigkeit damals die Kaminfeger hatten und welche schweren Schicksale sie erleideten. Die Musik ist opernhaft, ähnlich wie bei den neueren Musical Les Misérables, Phantom of the Opera und Love never dies, gerade so hochklassig ist sie aber nicht wie die eben beschriebenen. Dennoch das eine oder andere Lied hat durchaus Ohrwurmqualität.
Bei dem Bühnenbild trennen sich die Geschmäcker. Für mich hat es zu viele Schauplätze, ist nicht ersichtlich wieso das Orchester quasi im Zentum thront und man soviel Holz verwendete, weniger wäre mehr. Es hat aber auch seine Reize, wenn der Zuschauer miterlebt, wie die Kaminfegerjungs durch die Kamine klettern.
Hervorragend ist der Cast. Bernhard Viktorin als Giorgio, Christoph Wettstein als Dr. Casella und «der Mann mit der Narbe» Florian Schneider stechen hervor. Erwähnt werden muss auch Sissy Staudinger als Frau Rossi und deren Tochter Angeletta, Kristin Bauersachs, die einen wunderschönen Sopran gibt.
Wer das Buch in- und auswendig kennt, dem wird viel Erklärendes, Abrundendes und Ergreifendes aus Tetzners-Vorlage fehlen. Auch weichenstellende Passagen.
Wer das Bühnenstück einfach auf sich wirken lässt, dem bleibt der Eindruck von einer recht gelungenen Vorstellung. Es scheint auch, dass der Regen das Kaminfeuer löschen möchte und es bleibt die Frage, ob es Zufall ist, dass bei beiden Schweizer Freiluftproduktionen «Dällenbach» und «Schwarze Brüder» dieses Jahres das Thema Alkohol durchaus mit Tiefgang problematisieren.
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